Willkommen im kleinen Strandschlösschen

Das kleine Strandschlösschen gibt es als E-Book und Taschenbuch auf Amazon.


Liebe, Inselflair, Humor und Ostseefeeling

Sie kannte diesen auffordernden Ausdruck nur zu gut.

Wenn seine Mundwinkel tanzten,

flatterten die Schmetterlinge in ihrem Bauch.

Fanny liebt ihr High-Society-Leben als Immobilienmaklerin in München. Zwischen edlem Champagner und teuren Villen könnten ihre Tage nicht luxuriöser verlaufen. Aus heiterem Himmel erbt sie jedoch das kleine Strandschlösschen auf der Sonneninsel Fehmarn. Ihr Plan ist, in den Norden zu fahren und das Bed and Breakfast rasch zu verkaufen. Aber die Begegnung mit ihrer Jugendliebe Raphael, der herzliche Charme der Inselbewohner und die berauschende Ostsee lassen sie nicht nur an ihrem Vorhaben zweifeln, sondern auch ihr bisheriges Leben gänzlich infrage stellen.



Eine kleine Leseprobe:

Damals

 

Fannys Fußsohlen brannten auf dem heißen Sandstrand. Ihre Wangen und die Stirn glühten in der sommerlichen Mittagshitze. Auf Zehenspitzen umlief sie im Slalom vereinzelte Muscheln, kleine Schaufeln und bunte Eimer. Raphael ging voran. Die dunkelblonden Locken hingen ihm nass über Stirn und Nacken. Ganz nah lief sie hinter ihm, roch das Gemisch aus Sonnencreme und Ostseewasser auf seiner gebräunten Haut.

Auf diese Weise sollte jeder Urlaub duften.

Unzählige Wassertropfen schimmerten auf seinem nackten Oberkörper. Fanny hatte bislang keine Diamanten gesehen, aber so mussten die funkelnden Steinchen aussehen. Das war der Grund, warum jeder sie begehrte. Ungeniert ließ sie den Blick über seine roten Schwimmshorts wandern, die ihm von der Feuchtigkeit am Hintern klebten. Die knappe Länge gab viel Haut von seinen langen, kräftigen Beinen frei, was Fanny neuerdings mehr erfreute, als sie zugeben mochte.

Raphael schaute sich zu ihr um und schenkte ihr sein atemberaubendes Lächeln. Auch das war neu. Seit sie ihn und seine Clique durch Alma kennengelernt hatte, war er immer freundlich zu ihr gewesen. Dieses Jahr jedoch kribbelte es in ihrem Bauch, wenn er sie ansah, anlachte.

Er griff nach ihrer Hand, um sie näher an die Ostsee zu führen. Ihr stockte bei der Aufregung der Atem. Rasch richtete sie mit der freien Hand den Träger ihres weißen Triangelbikinis, den sie letztes Jahr im Schlussverkauf ergattert hatte. Die sanfte helle Farbe brachte ihre Sommerbräune zur Geltung. Außerdem mochte sie, wie Raphael förmlich der Mund offen stand, wenn er sie darin betrachtete.

»Bereit für deinen großen Augenblick, de Vries?« Zuversicht lag in seiner warmen Stimme. Um seine grünbraunen Augen zuckte jedoch eine Spur Schadenfreude. Wollte er sie untertauchen oder im tiefen Wasser alleinlassen?

Bislang war sie in den Ferien, die sie immer im kleinen Strandschlösschen am Südstrand auf Fehmarn verbrachte, nie weiter ins Wasser gegangen als bis zu den Knien. Das hatte ausgereicht, um mit Raphael und den anderen Wasser- oder Beachball zu spielen. Doch heute sollte es sich ändern. Gleich würde Fanny schwimmen lernen.

Der feine Sand unter ihren Füßen wurde zu einem festeren Brei aus winzigen Kieselsteinen und zerbrochenen Muscheln, je näher sie der Ostsee kamen. Die hohen Wellen der See schwappten mit einer Kraft an den Strand, die Fannys Panik in die Höhe trieb. Abrupt blieb sie stehen.

Ihre Angst war lächerlich. Raphael hatte erst kürzlich das Deutsche Rettungsschwimmabzeichen in Gold erworben. Bei niemandem war sie sicherer im Wasser. Und doch … Ihre Beine waren schwer wie Blei und ihre Füße wollten sich keinen Zentimeter in die Ostsee bewegen.

»Was ist?« Raphael strich ihr eine tiefbraune Haarsträhne aus dem Gesicht, die der Wind ihr aus dem hohen Zopf gepflückt hatte. »Hast du es dir anders überlegt? Wir können es morgen wieder versuchen. Du bist erst seit einem Tag hier, Fanny.« Bei seiner sanften Betonung ihres Namens prickelte es auf ihren Unterarmen. »Wir haben den ganzen Sommer vor uns.« Zärtlich streichelte er ihr über die Wange.

Wie sehr sie seine Berührungen vermisst hatte, wurde ihr erst in diesem Moment bewusst. Denn dort, wo seine Fingerspitzen sie anfassten, kribbelte es unsagbar schön.

»Und wenn du nach München zurückkehrst, wirst du die weltbeste Schwimmerin sein, glaub mir. Wenn ich Till das Schwimmen beibringen kann, dann jedem. Erinnerst du dich, wie wasserscheu er gewesen ist? Und jetzt ...« Raphael zeigte auf die Ostsee. Schräg vor ihnen tobte Till mit seinem großen Bruder Ole zwischen den Wellen, als übten sie für eine Art wildes Wassercatchen. Ole hielt seinen jüngeren Bruder in der Mangel und zog an dessen langen Haaren.

»Okay«, hauchte Fanny.

Sie genoss es, dass Raphael ihre Hand drückte. Mit sechszehn Jahren war es an der Zeit, schwimmen zu lernen. Vor allem, wenn sie ihre Ferien ständig an der Ostsee verbrachte. Sie war es leid, die meiste Zeit vom Strand aus zuzusehen, wenn Raphael, Saskia, Ole, Arne und Kalle sich im tiefen Wasser amüsierten. Und da Till unter die Schwimmer gegangen war, würde sie nun allein im Sand sitzen, während die anderen in der See herumtobten.

»Aber nicht nassmachen!« Wenn Fanny eines abgrundtief hasste, dann mit Wasser bespritzt zu werden.

»Niemals«, schwor er. Dennoch bereitete ihr seine amüsierte Tonlage Sorgen. Und für einen Sekundenbruchteil hatte er gezwinkert.

Raphael fasste sie mit beiden Händen an den Schultern. »Ich werde auf dich aufpassen, de Vries. Vertrau mir.« Dann zog er sie mit sich, bis an den Rand des Wassers. Die Gischt schwappte warm über Fannys rot lackierte Fußnägel, der Sand unter ihren Sohlen floss dahin, bis sie tiefer sackte.

Raphael räusperte sich. »Liebe Ostsee, darf ich vorstellen? Das ist Fanny de Vries.« Mit einer Hand hielt er sie am Arm, mit der anderen vollführte er vor ihr eine schwungvolle Geste. »Bitte tu ihr nicht weh, denn ich hab sie echt gern.«

Fannys Wangen glühten, aber nicht wegen der heißen Mittagssonne, die ihr auf dem Gesicht brannte. Raphael hatte sie gern? Konnte das sein? Das Herz schlug ihr bei dem Gedanken bis zum Hals.

»Deshalb müssen wir ausgesprochen vorsichtig sein, wenn sie gleich schwimmen lernt«, erklärte er der Ostsee weiter. »Deal?« Raphael hielt ein Ohr zur See, wobei Fannys Blick auf seinem schön geschwungenen Mund haftete, über dessen Oberlippe ein blonder Flaum wuchs.

Wie es sich wohl anfühlte, ihn zu küssen? Gestern Abend am Lagerfeuer hätte sie schwören können, dass er ihr näherkommen wollte. Aber Saskia hatte ihn zeitgleich mit Brötchenkrümeln beworfen, weshalb er von Fannys Seite aufgesprungen war und seine Schwester über die Terrasse des Strandschlösschen gejagt hatte.

»Wir haben freie Fahrt. Dir wird nichts geschehen.« Raphael musste sie für ein scheues Reh halten, so vorsichtig wie er mit ihr ins Wasser stieg.

Warme Wellen umspielten Fannys Beine und schenkten ihr ein belebendes Glücksgefühl. Gott sei Dank gab es keinen dunklen Algenteppich, nur einen butterweichen Meeresgrund, der sich jeder ihrer zögerlichen Schritte anpasste.

Je tiefer sie hineingingen, desto weniger zitterte sie. An Raphaels Seite war Fanny unbesiegbar. Selbst als die Ostsee ihren Bauch berührte und ein ungewohntes Kitzeln darauf hinterließ, raste ihr Puls nicht. Denn Raphael hielt sie an der Hand und fasste sie mit der anderen unter Wasser an der Taille. Er war ihr Schutzwall gegen jede hohe Welle. Geduldig zog er Fanny zu sich heran und sah ihr in die Augen. Aus der Nähe erkannte sie verschiedenfarbige grüne Tupfer im warmen Haselnusston seiner Iriden.

»Ich bin froh, dass du diesen Sommer wieder auf Fehmarn verbringst.« Seine Stimme klang kratzig, beinahe rau. Jedes seiner Worte drang tief in Fannys Innerstes und ließ sie unwillkürlich Grinsen. Zaghaft tastete sie sich vor und schlang die Arme um seine feuchten Schultern.

Raphael senkte den Blick auf ihren Bauch. »Weißt du, Fanny, gestern … also, am Lagerfeuer … da hätte ich dich gern geküsst.«

»Aaangriff!«

Fanny versteifte sich. Sie kannte diesen tiefen Brummton, er gehörte Ole. Sogleich schwante ihr Übles. Zurück an den Strand eilen konnte sie nicht, die Ostsee reichte ihr gerade bis unter die Brust.

»Schneller, Ole!«, rief eine helle Stimme ein paar Meter entfernt. »Die beiden schnappen wir uns.«

Das war Till. Fanny schreckte herum. Die Gebrüder Pfeiffer schwammen im Eiltempo auf sie zu, bespritzten die Umstehenden mit Wasser und ließen sie durch ihre schnellen Armbewegungen zur Seite hechten.

»Was … wird das?«

Raphael drehte sich um und stieß Luft zwischen den Lippen hervor. »Mach dich bereit, Fanny.« Aufmunternd drückte er ihre Hand und gab ihr Mut. »Da kommen zwei Mordswellen auf uns zu. Aber Ole und Till zeigen wir es. Stimmt’s?«

Fanny ging in Stellung, beugte die Knie und streckte die Arme nach vorn. Angespannt wartete sie darauf, dass ihr die Furcht den Nacken hinaufkroch. Ole und Till bewegten sich schnell auf sie zu, schienen beinahe über das Wasser zu fliegen.

Doch Fanny zitterte nicht. Sie verspürte keine Angst. Pure Freude floss ihr durch die Glieder.